Karl Gobrecht, 21. Pfarrer nach der Reformation (Deilinghofer Amtszeit 1930 bis 1947)

Schwieriges Pfarramt in der Kriegs- und Nazizeit - von viel Leid überschattet

 

 

Von Friedhelm Groth     
(für das "Deilinghofer Käseblättchen", Heft März 2018)

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1. Karl Gobrecht - seine frühen Jahre vor Deilinghofen: Kindheit, Jugend, Erster Weltkrieg, Studium und erste Pfarrstelle in Buer-Hassel
Anders als mehrere seiner Deilinghofer Vorgänger kam unser Karl Gobrecht aus eher einfachen Verhältnissen: Als Sohn des Zugführers Karl Gobrecht sen. und seiner Frau Ida Gobrecht geb. Meyer wurde er am 7.9.1893 in Minden geboren. Wie er selbst mehrfach zum Ausdruck brachte, war sein Glaube geprägt von der Minden-Ravensbergischen Erweckungsbewegung. In Bielefeld besuchte er das Gymnasium (Abitur im Herbst 1914). Nur ein Semester konnte er in Bethel Theologie studieren, dann wurde er als Soldat eingezogen. Von Mai 1915 bis Ende 1918 war er im ersten Weltkrieg Soldat. Aus schriftlichen und mündlichen Quellen wissen wir: Gobrecht erlitt als Offizier in Finnland eine schwere Kriegsverletzung, als er verschüttet wurde. Das Bild (links; Zellerer-Foto, vermittelt durch Wilhelmine Brakel) zeigt den jungen Karl Gobrecht mit dem ihm verliehenen Orden des Eisernen Kreuzes. Ostern 1915 konnte er sein Theologiestudium in Bethel und Münster fortsetzen; im Herbst 1921 bestand er das Erste Examen. Es folgte sein Lehrvikariat in Bielefeld, eine Zeit als Sekretär beim Christlichen Kellnerbund in Frankfurt und - nach dem Zweiten Examen im Herbst 1923 - seine Zeit als Hilfsprediger und dann Pfarrer in Buer-Hassel (Ordination dort am 17.8.1924). Am 3.9.1925 heiratete Karl Gobrecht Hedwig Beithner, Tochter des Barmer Stadtbauinspektors. In Barmen wurde auch die älteste Tochter Johanna Gobrecht geboren (14.11.1927), und der Sohn Gottfried Gobrecht (geb. 15.2.1930) kam dann in Buer-Hassel zur Welt. Er war noch ein Baby, als die Eltern das Deilinghofer Pfarrhaus bezogen. Karl Gobrecht wurde am 9.6.1930 als Pfarrer in Deilinghofen eingeführt.

Beide "Gobrecht-Kinder" hat der Schreiber dieser Zeilen vor Jahren als aus Bielefeld angereiste Deilinghofer Jubiläumskonfirmanden begrüßen und kennenlernen können, wobei auch viele Erinnerungen an die Deilinghofer Zeit der Gobrechts zur Sprache kamen. Dabei ging es auch darum, dass für die Kinder das erste Deilinghofer Pfarrhaus jene Villa am Brockhauser Weg war (damalige Adresse: Deilinghofen 110), die dann das NS-Parteiheim wurde, und dass die Familie 1938 ins zuvor neu gebaute Pfarrhaus an der Pastoratstraße. 6 (hieß damals: Felsenmeerstr. 6) umzog.


2. Zu wichtigen Gemeindeereignissen in Pfarrer Gobrechts früher Zeit in Deilinghofen
Im "Märkischen Landbote" wurden gleich im August 1930 zwei wichtige Deilinghofer Veranstaltungen unter Pfarrer Gobrechts Leitung genannt: zuerst ein Jahresfest des Blaukreuzvereins, zu dem benachbarte Vereine nach Deilinghofen kamen, und ein Stephanopeler Missionsfest mit Gobrecht und seinem "Vorvorvorvor"gänger August Witteborg (von 1885 bis 1894 in Deilinghofen), das 400 Menschen besuchten. Auch Gobrechts Interesse an Heimatkunde fand in der gleichen Zeitung Erwähnung. Im Landboten kam außerdem - wie in der Februar-Ausgabe des "Käseblättchens" im Kapitel über die Schauff-Familie schon dargestellt - Gobrecht dann im Blick auf das Jubiläumsjahr 1931 schon vor - mit der 50-Jahr-Feier des Jünglingsvereins, des heutigen CVJM Deilinghofen. Zwei Bilder im vergangenen "Käseblättchen" zeigten da den "neuen" Pfarrer Gobrecht auf einem Bild (siehe auch hier) zusammen mit seinen Vorgängern im Amt und mit der "Patriarchengestalt" des alten Lehrers Friedrich Wilhelm Schauff, der 1875 nach Deilinghofen gekommen war und das Schulleben und die kirchliche Jugendarbeit im Dorf in einzigartiger Weise geprägt hatte. Natürlich wirkte neben dem alten Lehrer auch der junge Pfarrer bei diesem Jubiläum aktiv mit.  Kaum zwei Jahre danach - auch das kam schon im "Käseblättchen" vor - hatte Karl Gobrecht den am 15.2.1933 verstorbenen Hauptlehrer i.R. Friedrich Wilhelm Schauff zu beerdigen.

Hier sind einige Anmerkungen nötig zum großen Umfang von Gobrechts Arbeitsfeld in jener Zeit. Schön hat die immensen Gobrechtschen Aufgaben in Deilinghofen sein "Nachbar von gegenüber" August Ziegenhirt, geb. 1879, beschrieben, der sich in einem dreiseitigen maschinengeschriebenen Brief vom 2.12.1946 an die Kirchenleitung in Bethel sehr couragiert für Karl Gobrecht verwendete und an den Superintendenten Hermann Kunst schrieb (der später als Militärbischof und EKD-Bevollmächtigter bei der Bundesregierung sehr bekannt wurde):
"Pastor Gobrecht trat sein Amt im Jahre 1930 an. Zu dieser Zeit war diese evgl. Kirchengemeinde praktisch seit nahezu 2 Jahren ohne ständigen Pfarrer gewesen, da der Vorgänger, Pfarrer Axthelm, sein Seelsorgeamt in der Gemeinde nur noch beschränkt ausgeübt hatte. Pastor Gobrecht fand so ein Feld vor, das stärkste Beanspruchung und nimmermüde Arbeitsfreude vom neuen Pfarrer verlangte". Im Weiteren beschreibt Ziegenhirt, dass er das als Nachbar beurteilen könne, dass Gobrecht im Blick auf Fleiß und Arbeitseinsatz mehr geleistet habe als alle Vorgänger, die er, Ziegenhirt, auch kannte.

Zur Größe des Kirchspiels führte Ziegenhirt aus, dass dieses "besonders weitläufig" sei, "weil zu ihm nicht nur der Ort Deilinghofen selbst gehört, sondern auch noch die umliegenden, häufig nur in langen Fussmärschen zu erreichenden Flecken Apricke, Riemke, Brockhausen, Bäingsen, Habichtseil, Langenbruch, Nieringsen, Hembecke und Stephanopel. Keine dieser Ortschaften ist mit der Eisenbahn, der Straßenbahn oder dem Autobus zu erreichen". Aber dazu komme als Teil des Kirchspiels "noch die evgl. Gemeinde der Stadt Balve, die etwa 8 km entfernt liegt".
 

Die Anfänge der Ev. Kirchengemeinde Balve fielen dann auch in die ersten Jahre der Wirksamkeit von Pfarrer Gobrecht. Auf der Homepage dieser Kirchengemeinde ist unter anderem vermerkt, dass der Deilinghofer Pfarrer Karl Gobrecht maßgeblich dazu beitrug, dass am 31.5.1933 der Grundstein der Ev. Kirche Balve gelegt wurde und dass diese Kirche schon im Advent des gleichen Jahres eingeweiht werden konnte (zu Gobrecht und Balve auch hier).

Zwei Gruppenbilder mit Kindern mögen hier die lebendige Gemeindearbeit des "neuen" Pfarrers illustrieren, wobei wir weder wissen wann genau die Bilder aufgenommen wurden und ob sie Konfirmanden oder Kindergottesdienstkinder zeigen. Beidesmal ist die Pfarrfrau Hedwig Gobrecht mit von der Partie, die ihren Mann sehr unterstützte (und manchmal auch die Predigt verfasst haben soll, wie gemunkelt wurde). Oben sieht man ein Ausflugs-Gruppenbild von der Hohensyburg. Auf dem unteren Bild (es stammt von der Rektorswitwe Ursula Franke), sieht man im Hintergrund das Haus Ziegenhirt vom Brockhauser Weg (dem damaligen Pfarrhaus gegenüber). Das ist das Haus jenes August Ziegenhirt, der oben genannt wurde mit seinem couragierten Brief an die Kirchenleitung zu Händen von Sup. Kunst in Bethel.
 

  


 
 



3. Zu Pfarrer Gobrecht im 2. Weltkrieg und in der Nazizeit in Deilinghofen
"Schwieriges Pfarramt in der Kriegs- und Nazizeit - von viel Leid überschattet", so heißt es in der Überschrift zu diesem Lebensbild Gobrechts (links wieder ein Foto des jungen Karl Gobrecht - aus dem Archiv der westfälischen Landeskirche in Bielefeld). Die kurze Zusammenfassung, die wir hier bieten können, kann der komplexen Problematik sicherlich nicht gerecht werden. Zur Geschichte des Dritten Reiches in Deilinghofen ist bisher kaum etwas veröffentlicht worden [vgl. aber die wenigen Zeilen bei Jens Murken], und auch wir können hier nur Andeutungen bieten.

Wir lassen da wieder Gobrechts Nachbarn August Ziegenhirt aus dem genannten Schreiben zu Worte kommen :
"In Deilinghofen hatten sich die meisten, die früher vorgegeben hatten, besonders treu zur Kirche zu stehen, 1933 und darauffolgend zum Nationalsozialismus bekannt und sich in immer zunehmenderem Masse von der Bekenntniskirche abgewandt. […] Der Ortsgruppenleiter […] liess keine Gelegenheit aus, sich gegen Pfarrer Gobrecht gehässig zu benehmen und ihn ständig bespitzeln zu lassen. […] Zu wiederholten Malen wurde er vor die Gestapo gezerrt, musste unter offenen und versteckten Schikanen und absichtlichen Entwürdigungen stundenlange Verhöre über sich ergehen lassen und stets gewärtig zu sein, in ein Konzentrationslager eingeliefert zu werden […] Welchen seelischen Druck dies alles bedeutete, weiss ich aus eigener Erfahrung, da ich als Nichtparteimitglied ebenfalls schikanösem Verhalten nationalsozialistischer Kreise ausgesetzt war und Massnahmen der Gestapo über mich ergehen lassen musste".

Ganz ähnlich hat es in seiner letzten Zeit Gobrecht selbst es 1948 in einem Verteidigungs-Schreiben an das Deilinghofer Presbyterium vermerkt:
"Ich habe bald 20 Jahre in der Gemeinde Deilinghofen-Balve, in dieser Riesengemeinde, treu auf dem Posten gestanden. Dazu kam in dieser Riesengemeinde mit ihrer Riesenarbeit die Schwere und Härte der Nazizeit, wo ich schwer gelitten habe für die Gemeinde, so dass ich an meiner Gesundheit schwer geschädigt wurde, sodass ich auch heute noch nur eine halbe Kraft bin. Ich habe dreimal mit fünfstündigen verhören vor der Gestapo in der Nazizeit gestanden, desgleichen vor der Oberstaatsanwaltschaft in Hagen. Der ehemalige Amtsobersekretär Voss aus Hemer, der mit zur Gestapo gehörte, hat es seiner Zeit verhindert, dass ich nicht in das K.Z.Lager gekommen bin." Gobrecht setzt hinzu, dass er "das Evangelium klar und lauter und rein verkündigt [habe] als tapferer Bekenntnispfarrer im Gegensatz zu den deutsch-christlichen Pfarrern, die Kirche und Staat treulos verraten haben".

In ähnlichem Zusammenhang führte Gobrecht im gleichen Jahr an, dass er nicht nur Pfarrer der Bekennenden Kirche gewesen sei, sondern sogar persönlicher Freund des Herner Pfarrers Ludwig Steil, der in Dachau im KZ um seines Glaubens und Widerstandes willen 1945 zum Märtyrer wurde (zu Ludwig Steil vgl. auch den Artikel im ökumenischen Heiligenlexikon).



4. Bis zum tragischen bitteren Ende - Zu Pfarrer Gobrechts Krankheit und Schwäche, seinem Weggang aus Deilinghofen und zur letzten kurzen Leidensstrecke in Bielefeld
Ob man Karl Gobrecht seinerseits glorifizieren kann und ihn sehen kann als Märtyrer in Deutschlands schwerer Zeit??! Uns liegen aus Gobrechts Personalakte entsprechende sehr positive Stellungnahmen über seine Amtsführung und für die Lauterkeit seines Glaubens vor. Sogar auch sein katholischer Amtskollege Wilhelm Boeddicker in Balve (später Ehrenbürger dieser Stadt!) verfasste in dieser Richtung ein Schreiben an die evangelische Kirchenleitung.
Ähnlich hat die im Herbst 2017 verstorbene Pfarrerstochter Hanna Gobrecht (wie in einem längeren Interview zum Thema ihre gute Bekannte Ursula Franke erzählte
- HIER zu hören, die mit Hanna Gobrecht bis zuletzt in Telefonverbindung stand) ihren Vater stets als makelloses Musterbild eines glaubwürdigen Christen und überzeugenden Pfarrers verehrt.

Aber es gibt auch eine sehr gewichtige Gegenmeinung, die wir hier nicht unterschlagen können! Sie stammt von einem uns aus der bisherigen Darstellung gut bekannten Christen: dem ehemaligen Elberfelder Rektor und Seminaroberlehrer Friedrich Wilhelm Schauff jun. (1879-1965), der in Wuppertal ausgebombt und zum Witwer geworden, die Zeit nach dem Krieg bis 1957 wieder in Deilinghofen verbrachte. Schauffs kritische Beurteilung von Pfarrer Gobrecht wiegt umso schwerer, als auch er als seriöser Kritiker, dem es um die Sache der Kirche ging, keineswegs Nazi oder Deutscher Christ war, sondern - sozusagen "aus dem gleichen Lager" wie Gobrecht - ein pietistisch geprägter Mann der Bekennenden Kirche. Drei Dokumente liegen uns vor, in denen F.W. Schauff jun. sich in dieser Weise mit Gobrecht als Pfarrer in Deilinghofen beschäftigte (darunter ein fünfseitiges von Sup. Gustav Niemeier in Auftrag gegebenes maschinengeschriebenes Votum zu Gobrecht vom 29.1.1947; der Schlussabschnitt dieser fünf Seiten folgt hier).



Fakt ist, dass Gobrecht - wie schon angedeutet - mehr und mehr ein gebrochener Mann wurde, der nur mit halber Kraft arbeiten konnte und lange Zeit in Therapie in Bethel verbringen musste. Mehrere Aushilfepfarrer wurden ihm zugeordnet, und schließlich kam auch sein späterer Amtsnachfolger Alfred Ravenschlag in die Gemeinde. Als beide Familien Gobrecht und Ravenschlag dann im gleichen Pfarrhaus wohnten (sogar noch nach Gobrechts Pensionierung), kam es nicht zuletzt wegen der Enge verständlicherweise auch zu Konflikten. Und Gobrecht, mehr und mehr zum Kind geworden, irrte oft singenderweise und schnorrenderweise durch das Dorf und drohte, sich lächerlich zu machen - ein kranker dement gewordener Mann würde man heute sagen.

F.W. Schauff beurteilte in den drei Schreiben, die er an seine Familie und an kirchenleitende Stellen schickte, Gobrecht denkbar kritisch: dieser sei von Anfang an nicht zum Pfarrer geeignet gewesen, und er sei ein untragbarer Schwätzer auf der Kanzel geworden, der in törichter und peinlicher Weise sich selbst predige und nicht das Evangelium. Außerdem könne er keinen Gedanken zu Ende denken und komme immer vom Hundertsten ins Tausendste, und er habe z.B. monatelang das Fürbittengebet am Ende des Gottesdienstes eigenmächtig ausgelassen  usw. usw. Ja, Gobrecht sei kein kindlich Glaubender, sondern ein durch und durch kindischer. Weil es ihm, Schauff, einzig um die Kirche gehe, bitte er aus Gewissensgründen, dass man Gobrecht nicht mehr auf die Kanzel lasse. In dem Urteil, dass Gobrecht untragbar geworden und zu pensionieren sei (so schreibt Schauff am 16.9.1946 an den Präses Karl Koch), seien mit ihm die Pfarrer Paul Knolle und Adolf Frommann in Hemer und der damals in Ispei wohnende berühmte Theologieprofessor Heinrich Schlier letztlich einer Meinung. Man muss es Schauff abnehmen, dass ihn keine miesen Motive zu solchem Urteil leiteten; unter anderem sah er es auch als Unheil an, dass nach Gobrechts Kanzelverbot und nach der Pensionierung (am 30.5.1947) seiner Familie zunächst gestattet wurde, im Pfarrhaus weiter wohnen zu bleiben.

Schließlich sind dann doch - wie der Stadtarchivar Hemers, Eberhard Thomas, uns mitteilte - die Gobrechts am "20.5. 1956 nach Bielefeld, Oberntorwall 21 verzogen". Ein knappes halbes Jahr nach dem Umzug von Deilinghofen nach Bielefeld war das umdunkelte Leben des Karl Gobrecht an seinem irdischen Ende; er starb auf zutiefst tragische Weise am 10.12.1956 im Alter von 63 Jahren.

In Bielefeld lebt heute noch die Schwiegertochter Gobrechts, und deren Sohn betreibt dort eine Zahnarztpraxis.

 



Historische Zugaben - Texte und Bilder:

 Deilinghofer Gruppenbilder mit dem neuen Pfarrer Gobrecht und der CVJM-Jubelfeier 1931:



Am linken Bildrand im Talar Pfr. Witteborg, vorne sitzend in der Mitte der drei Männer Friedrich Wilhelm Schauff sen., zwei weiter rechts stehend und groß Pfr. Karl Gobrecht


Gleicher Anlass 1931: Lehrer Friedrich Wilhelm Schauff sen. sitzend und stehend von links die früheren Deilinghofer Pfarrer Niederstein und  Witteborg, der Lehrer Wilhelm Schauff und Pfarrer Gobrecht.


Zu Gobrecht und seiner Beschäftigung mit Deilinghofer Heimatkunde:

Auf einer Karte, die Pfr. Karl Gobrecht an seine Sprösslinge schickte ist hier das Bild der Stephanuskirche zu sehen und darauf des Pfarrers handschriftliche Aufschrift:
"Das Kirchlein unserer Heimat, 1254 erbaut,
Reformationsgruß von Vati".
Diese aus Bielefeld mitgebrachte Karte durften wir kopieren bei Kontakten mit Hanna und Gottfried in Deilinghofen.
Eine Begründung für dieses eigenartige Datum, das Gobrecht angibt,  freilich haben wir nirgends finden können, wie wir schon vor vielen Jahren im Deilinghofer Gemeindebrief und danach auf der Alt-Deilinghofer Webseite genauer ausführten.
Dort ist unter anderem Folgendes vermerkt:
"Gobrecht hat [...] auch an anderer Stelle das Jahr 1254, sein Datum von der Erbauung der Kirche, genannt. In einer alten Festschrift zum 40jährigen Jubiläum unserer Frauenhilfe schrieb er: „Alt-ehrwürdig ist die Kirche von Deilinghofen; denn ihr Turm steht nachweislich über 1000 Jahre. ... Wie fest und trutzig steht der Turm, erbaut in kriegerischer und unruhiger Zeit, zunächst als Verteidigungsturm. ... Viel später erst, 1254 – so schreibt Pastor Dümpelmann – baute man die eigentliche Kirche“ (Gruß- und Erinnerungswort zur 40-jährigen Gründungsfeier der Evangelischen Frauen-Hilfe Deilinghofen, hg. von Pastor Alfred Ravenschlag, Hemer 1949, S. 5; in der Festschrift des Ev. Kirchenchors Deilinghofen, Juli 1953, S. 9 geht Emil Hieke in seinem Artikel „Deilinghofen, das alte Dorf und seine Kirche“ dann entsprechend auf 1254 und Dümpelmann ein)."
Gleichwohl haben wir bei Dümpelmann und sonst nirgends etwas zu dem Datum 1254 gefunden...

Mein Freund und Nachbar Paul Kramme (Journalist i.R., früher IKZ) hat in seinem Band "Aus der Heimat für die Heimat" (Hemer 2013) interessante Fundstellen zur Karl Gobrecht aus alten Ausgaben des "Märkischen Landboten" zugänglich gemacht (laut seinem hilfreichen Register handelt es sich um die Seiten 247, 250, 257, 263 f., 270f. 290f., 302f. 305, 318 und 368).
Was die Deilinghofer Heimatkunde bei Gobrecht angeht, ist da im Landboten schon am Tag von Gobrechts Einführung dessen angeblich große Kompetenz hervorgehoben (zur Einführungsfeier am 23.6.1930):
"In anregendem Plaudertone erzählte der neue Deilinghofer Pfarrer, wie er nach dem schönen Sauerland gekommen sei, wobei er vorausschickte, daß, als er sich für Deilinghofen entschied, ihm 6 andere Pfarrstellen winkten [FG dazu: dass er in Hemer die Wahl zum Pfarrer zuvor verloren hatte, wie wir von F.W.Schauff jun. wissen, sagte er nicht...]. Seine nunmehrige Wirkungsstätte sei ihm schon von dem Augenblick lieb und wert gewesen, als sie in seinen Gesichtskreis trat.
Dass Pastor Gobrecht damit keine leeren Worte tat, zeigt sein Eingehen auf Deilinghofens Chronik,  von der der neue Seelsorger bestimmt schon mehr weiß als mancher Ortsansässige" (Paul Kramme, Aus der Heimat für die Heimat, S. 257).
Gut vier Monate später konnte man am  25.10.1930 ausführliche  Darlegungen zur Deilinghofer Kirchengeschichte (nach den Forschungen von Karl Lambrecht, Soest) im Märkischen Landboten lesen, die Pfarrer Gobrecht weitergegeben hatte, nicht ohne anzugeben, dass die Glocke aus dem  sog. Nonnenkloster des Alten Pastorats in seinem Pfarrhaus, das  1905/06 die von der Beckes gebaut hatten, noch vorhanden sei (Paul Kramme, Aus der Heimat für die Heimat, S. 271, - vgl. S. 270f.). Wo mag diese Glocke geblieben sein?
"Allerlei historische Gedanken über Deilinghofen von Pfarrer Gobrecht" bringt dann der Märkische Landbote aufs ausführlichste am 3.10.1931 Paul Kramme, Aus der Heimat für die Heimat, 302f.). Freilich sind da auch Phantasiegeschichten Gobrechts dabei, wie man z.B. besonders krass an diesen irrigen  Sätzen des Pfarrers sieht:
"Ob nicht auch Zusammenhänge in der Hinsicht im Filial Stephanopel liegen, möchte ich bald annehmen. Das Hanseatenschiff über dem Portal der Rohländerschen Besitzung und der türkische Konstantinopelpass stammen aus jüngerer Zeit. Der betreffende Kaufmann hat dann in Anlehnung an die türkische Hauptstadt Konstantinopel, die er geschäftlich besuchte, seinen Wohnsitz in der Heimat Stephanopel, d.h. Stephanstadt, genannt."
Was es wirklich mit Stephanopel auf sich hat, woher der Name kommt, haben wir in www.stephanopel.de ausgeführt; und was das Rohländersche Halbrelief bedeutet und umschließt, kann man in meinem Aufsatz im "Schlüssel" (http://www.pastoerchen.de/stephanopel/Romberg-Aufsatz.pdf) nachlesen.
Dass Gobrecht als Heimatfreund Stephanopel sehr geliebt hat, haben Gemeindeglieder mir öfter erzählt; er habe gern den Satz gesagt:
"Das schönste Tal ist mir das Stephanopeler Tal, viel schöner als das Hönnetal!"
Im Interview mit Ursula Franke über Pfr. Gobrecht kam auch eine schöne Erinnerung an einen Ausflug nach Stephanopel mit Pfr. Gobrecht  vor.

Karl Gobrecht und Siegfried Schunke - einige Erinnerungen:
Friedrich Wilhelm Schauff jun. führte in seinem oben genannten fünfseitigen Votum zu Gobrecht vom 29.1.1947 auch Mängel an im Blick auf Gobrechts Predigten und seinem Verhalten im Gottesdienst und darüber hinaus: u.a. kam da auch der Name Siegfried Schunkes vor (im Zusammenhang mit angeblichen Stilfehlern im Gottesdienst und im sonstigen Umgang; dort auf S. 2): "Im Gottesdienst am heil. Abend 44 hörte ich die wortvolle Abkündigung, daß am 2. Weihnachtstage P. Schunke, der gerade vom Offiziersexamen gekommen und es bestanden hätte, predigen werde."
Zu Pfr. Dr. Siegfried Schunke (1909-1992; dessen Foto links) vgl. auch das Lebensbild, das sein Sohn Sup. Remmer Schunke, Dortmund, für den Band 3 der  "Blätter zur Deilinghofer Kirchengeschichte", Deilinghofen 1994, S. 240 f. schrieb (dieser Band 3 ist dem Gedenken der verstorbenen Heimatforscher Siegfried Schunke und Herbert Schulte gewidmet).
Schunkes kirchengeschichtliche Doktorarbeit über die Herrnhuter in der Grafschaft Mark (maschinenschriftlich, Münster 1948/49) war für unser Verständnis der Deilinghofer Kirchengeschichte wegweisend.
Dazu setzen wir, was wir zu Schunke und Gobrecht an anderer Stelle ausführten:
"[...]
Peter Alberts hat uns ferner die Geschichte erzählt, wie es kam, dass auch über die Herrnhuter in Sundwig eine kirchengeschichtliche Doktorarbeit verfasst wurde: Schon als Junge kam der 1909 in Hemer geborene Siegfried Schunke oft und gerne in die Mühle und kam dort auch mit dem Phänomen "Herrnhut" in lebendigen Kontakt. Siegfried Schunke studierte dann Theologie und wurde Pfarrer. Er entschied sich dafür, das geistliche Thema seiner Jugend in der Alberts'schen Mühle zu seinem Dissertationsthema zu machen: An der Theologischen Fakultät der Universität Münster wurde er 1948 mit seiner Arbeit: "Die Beziehung der Herrnhuter Brüdergemeinde zur Grafschaft Mark" promoviert zum Dr. theol.; der Heppingsche Hof spielte darin eine beträchtliche Rolle! 
Als Pfarrer war Siegfried Schunke [...]  viele Jahre in Gelsenkirchen-Rotthausen und Unna-Königsborn tätig. Er verlebte seinen Lebensabend zusammen mit seiner Frau in deren ostfriesischen Heimat, und er starb im Jahre 1992 in Esens [...]. An allen Stationen hat er heimatgeschichtlich und kirchengeschichtlich weitergearbeitet und publiziert.
Es verdient auch Erwähnung, dass Schunke in Pfarrer Gobrechts Zeiten als junger Mann [...] in Deilinghofen ausgeholfen hat und dort einmal durch Geistesgegenwart die Stephanuskirche bei einer kritischen Brandsituation vor dem Abbrennen gerettet hat…"


Superintendent Gustav Niemeier über Gobrecht und Deilinghofen - das Zitat mit den "Trollen aus dem Felsenmeer":
Superintendent Gustav Niemeier schrieb aus Altena am 16.5.1946 im Fall Gobrecht und Deilinghofen an die Kirchenleitung. Da ging es um des Pfarrers langwierige Erkrankung und die gewährten Vertretungen in Deilinghofen.
Ein Zitat daraus ist typisch für Deilinghofen und für die dortige Kirchengeschichte bemerkenswert:



"Deilinghofen ist eine schwierige Gemeinde. Gobrechts Vorgänger, Axthelm, mußte seinen Abschied nehmen. Dessen Vorgänger, ... Niederstein, später in Bünde, hatte unter der Launenhaftigkeit der Deilinghofener schwer leiden müssen. Aber es sind in Deilinghofen auch noch gute Einflüsse aus der vor mehr als 100 Jahren dort begonnenen Herrnhuter Arbeit entstanden, und die Erinnerung an den vor rund 160 Jahren gestorbenen frommen Pfarrer Dümpelmann, den Freund des Iserlohner Johann Abraham Strauß ist noch lebendig.
Es ist mir mitunter so, als wenn mit den guten Geistern die Trollen aus dem Felsenmeer kämpften! Das macht sich auch jetzt bemerkbar. Gobrecht ist ein frommer Mann, aber ein so kindlich-frommer Mann, daß seine Gemeindeglieder sehr oft nur das Kindliche sehen und ihm das Leben schwer machen."
In diesem Zitat wird zu Recht auf die geistliche Weichenstellung durch das Freundespaar Dümpelmann und Strauß aufmerksam gemacht, die wir im Blick auf ihre von Herrnhut ausgeprägte Gemeindearbeit an anderer Stelle ausführlich dargestellt haben.


 Zu Gobrecht und dem Dritten Reich:
Jens Murken über Pfr. Karl Gobrecht, in: ders., Die evangelischen Geminden in Westfalen. Ihre Geschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart, Bd. 1 Ahaus bis Hüsten, im Auftrag der Ev. Kirche von Westfalen hg., Bielefeld 2008, S. 422:
"Pfarrer Gobrecht, der sich selbst als 'P.G. Mitglied im biblischen Sinne', als 'Prediger Gottes' bezeichnete, bejahte damals 'aus Liebe zu meiner Gemeinde und aus Überzeugung' den nationalen 'Aufbruch', sorgte sich aber auch ahnungsvoll: 'Ja, Deilinghofen ist ein Restchen vom verlorenen Paradies, aber auch in diesem Paradies ist die Schlange vorhanden. [...] Unsere Seelsorge hat bei beiden einzusetzen, bei Nazi und bei Kozi [i.e. Kommunisten]. Schuld ist überall, es wird nochmal ein Erschrecken über uns alle kommen' [ebd.] Die Amtszeit von Pastor Gobrecht, die die Jahre des 'Dritten Reiches' umschloss, war, wie befürchtet, von etlichen Feindseligkeiten zwischen verschiedenen kirchlichen Gruppen geprägt. Wenige Jahre nach dem Kriege wurde dem durch das NS-Regime stark mitgenommenen und gesundheitlich angeschlagenen Pastor Gobrecht dann vonseiten des Presbyteriums die Pensionierung nahe gelegt, was er kritisch als übliches Verfahren in der Gemeinde begriff. Viele seiner Vorgänger hätten hier 'den Laufpass' bekommen und wären 'in die Wüste gejagt' [K. Gobrecht an L. Koechling, 26.7.1947...]. Auch den Nachfolgern scheint es nicht anders ergangen zu sein: 'Selbst Presbyter und Repräsentanten, die beim Einzug von Pfarrern sich in Lobhuldigungen überboten, nehmen allzu gern die kleinste Abweichung eines Pastors von ihren antiquierten engstirnigen dörflichen Vorstellungen zum Anlass, ihm das Leben schwer zu machen' [H. Schulte an F. W. Bauks, 11.1.1983...]".
[FG fragt sich, ob die hier zitierten Sätze vom kritischen Umgang der Deilinghofer mit ihren Pfarrern angemessen sind; vieles davon bezieht sich auf Gobrechts Vorgänger Axthelm - auch das mit dem Paradies und der Schlange, und im Fall Axthelm hatte zum Weggang eben nicht zuerst das Presbyterium beigetragen...]

Ursula Franke, Deilinghofen, in ihrer positiven Sicht, interviewt zum Thema Gobrecht am Januar 2018:
Zu hören HIER

Gobrecht und Balve - Der katholische Pfarrer Wilhelm Boeddicker, Balves späterer Ehrenbürger, setzt sich für den Deilinghofer ein (Schluss des Schreibens vom 21.2.1947):



Dazu aus August Ziegenhirts Stellungnahme pro Pfarrer Gobrecht:

 

 

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