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Der Apricker Schulten-Hof, von dem Erich Heetfeld auch erzählt: damals an jenem Alten Dorfteich gelegen, den es heute nur noch als Straßennamen gibt...

Die spektakulären Pferderennen in Apricke in den 1920er Jahren mit Tausenden von Zuschauern – nach den Schilderungen des Alt-Apricker Zeitzeugen Erich Heetfeld (1910 – 1994)
Von Friedhelm Groth
[Text und Grafiken auch im Deilinghofer Käseblättchen, Ausgabe Januar 2022 - vierseitige PDF-Version HIER]


Im Internet wird auf der Seite www.pastoerchen.de/apricke.htm recht ausführlich über die Geschichte des Dörfchens Apricke von den ersten Anfängen an informiert. Grundlage dieser Webseite war ein Vortrag, den ich 1997 gehalten hatte – 100 Jahre nach Gründung des Bürger- und Heimatvereins Apricke. Das dritte und letzte Kapitel darin mit der Überschrift „III. Apricke in den letzten 100 Jahren seit 1897“ ist aus einer besonderen Quelle geschöpft, denn dieses Kapitel entstammt zum großen Teil einem einstündigen Zeitzeugen-Interview, das ich am 1. Juni 1993 mit dem Alt-Apricker Erich Heetfeld führen konnte und auf Band aufnahm.



Erich Heetfeld (Foto links, Privatbild, Foto im Personalausweis), das war seinerzeit ein allseits bekannter Apricker. Lange Jahre war er Vorsitzender der Gesangabteilung des Apricker Männerchors gewesen, und er wurde dann auch Ehrenmitglied des Bürgervereins. Das lange Interview ist auch auf der genannten Webseite zu hören und von dort herunterzuladen (neuerdings auch über ‚Spotify‘, „Heetfeld“ in die Suchfunktion eingeben). Leider aber ist dieses Interview wegen der mangelnden Tonqualität nur sehr mühsam zu verstehen. Das ist Grund genug, hier einiges aus Erich Heetfelds Schilderungen geschrieben weiterzugeben. Vielleicht ist das Geschriebene jetzt auch eine willkommene Hörhilfe, die Heetfelds damalige Aussagen in jener Audiodatei neu verständlich macht...
Das Apricke-Interview von 1993 mit Erich Heetfeld - keine gute Qualität, ist als MP3 HIER zu hören / herunterzuladen.

Erich Heetfeld erzählte in dem Interview, dass es in seiner Jugend in Apricke drei größere Bauernhöfe gab: Küper, den Schulten-Hof (Foto am Anfang des Artikels) und Heetfeld, während alle anderen (Ricken usw.) auch etwas Land und Vieh hatten. Zu Beginn schilderte er ganz viel aus dem Leben und Wirken des Deilinghofer Pastors Paul Axthelm, der von 1917 bis 1929 in Deilinghofen Pfarrer war und mit Heetfelds Vater in Apricke besonders freundschaftliche Beziehungen unterhielt. In einer früheren Ausgabe des Deilinghofer Käseblättchens war Pfarrer Axthelms Wirken in Deilinghofen behandelt worden, und die Freundschaft Pfarrer Axthelms mit Heetfelds Vater in Apricke war dabei auch erwähnt worden, wie man im Internet anschaulich HIER sieht: www.pastoerchen.de/Axthelm.htm.

Weiter beschrieb Erich Heetfeld, wie es in Apricke am Alten Dorfteich z.B. in den 1930er Jahren aussah und dass dieser Teich in den 1960er Jahren zugeschoben und kanalisiert wurde. Er berichtete, am „Boerndeek" (so sagten die alten Leute) in Apricke hätte zuerst die alte Schule gestanden, deren Rest jetzt zum Haus Tuschhoff im Beil gehöre; die Schule hatte bis um 1800 in Deilinghofen gestanden an der Stelle neben der Kirche, wo sich heute das Ehrenmal befindet. Das Bild der alten Schule an der Kirche stand ja schon einmal im „Deilinghofer Käseblättchen“, und man erfuhr da, wie diese Schule schließlich dann im Beil Teil eines Wohnhauses wurde.

In besonderer Weise lebhaft und begeistert aber wurde Erichs Heetfelds Schilderung, als er aus seinen Kinder- und Jugendjahren von den Pferderennen in Apricke erzählte, die der Bürgerverein veranstaltete, der damals bezeichnenderweise noch „Bürger- und Rennverein" hieß: Es hatte in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg auch schon Rennen gegeben (in der Anzeige am Schluss unten abgebildet), aber es waren in Heetfelds Schilderungen die beiden Rennen nach dem Krieg in den Jahren 1922 und 1927. Da war beim ersten Pferderennen Erich als ein 12jähriger Junge dabei. Er schilderte sein Erlebne bei den Karussell so: „1922 fuhren wir mit als Bremser, da konnte ich immer fahren und brauchte nichts zu bezahlen. Ja, wir nahmen dem ein paar Eier mit: Isken war das, der Karussellbesitzer“. [Die Iskens kenne ich gut als große Schausteller-Familie, die ihren Sitz in meiner Heimatstadt Schwerte hatte und hat.] Erich Heetfeld sagte zu mir. „Was meinen Sie, was da hier los war, beim Pferderennen! Da oben auf der Haar, wo Willy Schweer wohnt und noch weiter oben, da war das Grunewald-Flachrennen. Der Schulte von Riemke, der Onkel von Hartwig, Fritz hieß der, der hat viele Preise gemacht. Es ging da um mehrere Rennen, das waren so fünf, sechs, sieben Rennen. Und Landrat Dr. Loos war auch hier oben zum Beispiel, der war eingeladen worden vom Bürger- und Rennverein!“

[Ergänzend und als Kommentar sei hinzugefügt: Dieser Landrat Dr. August Loos lebte von 1888 bis 1968, wie man aus Wikipedia erfährt: https://de.wikipedia.org/wiki/August_Loos. An dieser Stelle ist ferner einzuschieben: Dass es im Jahr 1922 acht Rennen waren, die in Apricke stattfanden, liest man im Märkischen Landboten vom 31. Juli 1922: Da heißt es außerdem, am gestrigen Tage seien es „schätzungsweise 4000 bis 4500 Menschen“ gewesen, die in Apricke zuschauten! Wo das Rennen stattfand, stand zuvor am 25. Juli im Vorschauartikel im gleichen Blatt: da wird „die äußerst romantische Lage des Festplattes auf der Hochfläche des Ortes“ betont (beide Stellen bei Paul Kramme auf S. 89 seines Bandes: "Aus der Heimat für die Heimat. Märkischer Landbote/Hemersche Zeitung Juli 1918 – Juni 1934", Balve 2013.]

Erich Heetfeld im genannten Interview antwortete auf meine Frage hin, wer führend bei der Organisation dieses Großereignisses gewesen sei, so: das war „der alte Eppmann von Heetfelds Hof (der die Witwe von Heetfeld hier oben geheiratet hatte)“, Eppmann, der „eigentlich aus Deilinghofen gekommen“ war. „Dieser Hof Heetfeld ist da, wo heute die Pilzzucht Neumann ist. Friedrich Eppmann war das, der hatte einen Sohn, der war als Leutnant gefallen in ersten Weltkrieg und eine Tochter, und die Tochter hat einen Burris geheiratet aus Hemer. Friedrich Eppmann war der Bürgermeister der Gemeinde Brockhausen.“ Und auf meine Frage, was alles dazugehörte zur Gemeinde Brockhausen, meinte er. „Apricke und Riemke auch - bis anne Hönne runter“.

Besonders begeistert schilderte er seine Erinnerungen dann vom zweiten Rennen 1927: "Beim zweiten Rennen da war Hochbetrieb: da gab es Hippodrom, Karussell und allen Krempel. Da haben sie die Kirmeswagen mit sechs Pferde oben die Haar hochgezogen. Da war die Straße nicht wie heute, sondern holprig. Und ein großes Zelt stand da oben!“

Erich Heetfelds Erzählungen zu diesem Thema endeten in seinem Interview endeten mit der Feststellung, dass die Rennen dann schließlich eingestellt werden mussten in der Zeit, als rund um Apricke der Übungsplatz eingerichtet wurde.

Nicht von dem Heetfeld-Interview, sondern aus Fritz Sirringhaus’ Band „Alt-Hemer. Bilddokumente über die Wandlung einer Stadt“, 2. Auflage 1987, S. 48 stammt die Information, dass zur Zeit der Inflation sich das Apricker Eintrittsgeld zu den Rennen derart häufte, dass es auf einem Handwagen nach Hause gefahren werden musste. Da steht auch, dass der erste Preis ein 78-teiliges Essbesteck war oder ein Sattel mit Reitzeug. Außerdem liest man da auch, dass die Länge der Apricker Rennstrecke etwa 2000 Meter betrug und die Form einer Acht hatte. Und es gab über das genannte Grunewald-Flachrennen hinaus das Hoppenberg-Jagdrennen, aber auch Springturniere und Galopprennen. Sirringhaus schreibt: in dem Zusammenhang: „Tausende von Menschen kamen damals aus Hemer und Umgebung zu diesen Rennen - sie waren wohl für die damalige Zeit eine dem späteren Eishockeyfieber vergleichbare Attraktion“. Und weiter. „Man ritt auf Arbeitspferden daher oder auf Reitpferden die zur Arbeit benutzt wurden.“ Ein – allerdings recht verwaschenes – Foto vom Rennen des Jahres 1922, ist auch auf jener Seite 48 zu sehen. Sirringhaus setzt übrigens dazu, dass der dort abgebildete Reiter im Vordergrund Fritz Lueg gewesen sei soll, der damalige Verwalter vom Klusenstein. Zum Ende dieser Großveranstaltungen ist bei Sirringhaus zu lesen: „Später verfiel diese Veranstaltung wie auch das Interesse an ihr, vergleichbar vielleicht mit dem Auf- und Niedergang der Straßenradrennen in Hemer oder der Radrennbahn am ‚Fetten Born‘.“ [Zu dem Letzgenannten, dem ungeheueren Boom des Radsports in Hemer, illustriert meine Webseite über den Radsportler und Lokalmatador Fritz "Spurtl" Schenk, 1902-1989) die damalige Situation in Hemer trefflich.]

Einen zweiten interessanten Beitrag aus neuerer Zeit gibt es noch, der die Apricker Pferderennen der 1920er Jahre ebenfalls zum Thema hat. Der Deilinghofer Heimatforscher Wolfgang Ebe berichtete von diesem Thema unter dem Titel Mit dem Gänseköppen fing es an in einem dreiseitigen Artikel in der Hemeraner Heimatzeitschrift „Der Schlüssel“, Jahrgang 2019, Heft 4, S. 159 bis 161. Auch dort illustriert genau das gleiche undeutlich-verwaschene Foto des Apricker Rennen von 1922 das damalige Großereignis (nur hier mit dem Aufdruck: „Pferderennen in Apricke - 30. Juli 1922). Wolfgang Ebe stellte uns dieses Foto von 1922 mit dem Aufdruck dankenswerterweise zur Veröffentlichung zur Verfügung:



Nach diesen Zusätzen zu den Schilderungen des Alt-Apricker Zeitzeugen Erich Heetfeld sei zum Schluss angeführt, was auch in meinem Apricke-Vortrag vorkam: In dieser Zeit der Weimarer Republik wurde die Gemeinde Brockhausen nach Deilinghofen eingemeindet, vom 1.4.1929 an war Apricke kommunal nicht mehr Brockhausen, sondern Deilinghofen. Apricke war dann in den Jahren des Dritten Reiches 1934-1936 besonders betroffen von der Schaffung des großen Truppenübungsplatzes bei Deilinghofen (eingeweiht am 8.8.1935), für den nach und nach (bei zweimaliger Erweiterung) insgesamt etwa 360 ha nutzbare Fläche in Anspruch genommen wurde. Bei dem vom Militär beschlagnahmten Gelände handelte es sich um das beste und fruchtbarste Ackerland der Gemeinde Deilinghofen. Rund 200 Eigentümer waren von der Maßnahme betroffen. Durch die dritte Landwegnahme war die Ortschaft Apricke schließlich ganz von Übungsplatzgelände umschlossen. Und im weiteren Verlauf der Zeiten wurde genau dieses Gelände zwischen Apricke und Deilinghofen in der Nachkriegszeit das Camp der kanadischen (und britischen) Soldaten und der Standort der Eishalle, die ihrerseits anno 1959 der Geburtsort des Eishockeyclubs Deilinghofen werden sollte, des ECD.

Dass es – wie angedeutet – auch vor dem ersten Weltkrieg Pferderennen in Apricke gab, zeigt diese Zeitungsanzeige des „Bürger- und Rennvereins“, die uns freundlicherweise ebenfalls Wolfgang Ebe aus Deilinghofen zur Verfügung stellte: